Seit wann muss sich die Exekutive eigentlich nicht mehr daran halten, was die Judikative (und die Legislative) beschließt?

Das Berliner Verwaltungsgericht hat per Beschluss entschieden, dass die Zurückweisungen an der deutschen Grenze rechtswidrig sind - die Regierung will aber daran festhalten. Wie kann es jetzt weitergehen?

Die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet ist nach einem Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts rechtswidrig. Ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens dürfen sie nicht abgewiesen werden, entschied das Gericht am Montag. Und nun? Eine herbe Schlappe für die Bundesregierung, die einen strengeren Migationskurs verfolgen will. Wie reagiert die Union?

Die Regierung gibt sich bisher trotzig

Trotzig ist das neue rechtswidrig? Darf ich dann auch trotzig den leeren Privatjet von Merz anzünden?

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hält trotz der Niederlage an seinem Migrationskurs fest und will Asylbewerber weiter abweisen. “Es gibt keinen Grund, aufgrund einer Gerichtsentscheidung in einem Einzelfall unsere Praxis zu verändern”, sagte der CSU-Politiker

Doch. Die Entscheidung vom Gericht. Nennt sich Demokratie, Arschloch.

Man strebe eine Entscheidung im Hauptverfahren an.

Immerhin versuchen sie noch, ihren Willen ohne direkten Rechtsbruch durchzusetzen.

“Wir können nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie Gerichte entscheiden”, sagte CDU-Fraktionsvize Günter Krings am Mittwoch im WDR-Interview. Bei “stationäre Grenzkontrollen an einer Straße”, brauche man aus seiner Sicht nicht Artikel 72, die sogenannte Notstandsklausel. “Sondern wenn ich an der Grenze jemanden nicht hineinlasse, ist das nach dem gesamten europäischen Recht eigentlich klar, dass er sich dann noch in Österreich, in Polen befindet.” Diese Länder seien dann für die Zuständigkeitsprüfung zuständig.

Der CSU-Innenpolitiker Thomas Silberhorn sagte am Mittwoch im rbb24 Inforadio: Wenn höchstrichterlich die Auffassung vorherrsche, dass jeder, der sich auf Asyl beruft, (…) ein Recht auf ein Dublin-Verfahren habe, dann sei diese Rechtslage nicht zufriedenstellend.

Das kannst du ja gerne denken, aber wenn das Gericht sagt, dass du etwas nicht tun darfst, dann darfst du das nicht tuen. Ich finde es auch schade, dass ich mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss, wenn ich Merz’ leeren Privatjet abfackel, aber so ist das nunmal. Im Gegensatz zu mir bist du sogar ein gewählter Vertreter von vielen Menschen.

Das gelte insbesondere dann, wenn die betreffende Person auf dem Landweg nach Deutschland kommt und möglicherweise einen gefälschten Pass bei sich habe, so Silberhorn. “Wir wollen irreguläre Migration bekämpfen, und deswegen müssen wir uns auch vorbehalten, die Dublin-Verordnung ändern zu lassen.”

Ja, habt ihr aber noch nicht. Ihr handelt also illegal. Im Gegensatz zu euch bin ich moralisch und rechtlich vollständig im Recht, wenn ich dazu aufrufe, illegale Politik zu bekämpfen.

Was bedeutet der Beschluss eigentlich konkret?

Der aktuelle Beschluss des Gerichts jedenfalls bedeutet, dass die ohnehin umstrittene Praxis rechtlich auf tönernen Füßen steht.

Noch eine Umschreibung. Nein, sie ist illegal. Sie ist nicht tönern und nicht trotzig, sie ist verdammt nochmal illegal!

Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält das Konzept der Zurückweisungen gar für komplett gescheitert. “Alle Fälle, die vor Gericht kommen werden, wird die Bundesregierung verlieren bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof. Die Frage ist nur, wie lange sie das noch durchziehen will”, sagte Knaus in einem Podcast des “Stern”.

Der Migrationsrechtsexperte Daniel Thym hält es hingegen für möglich, dass die Zurückweisungen rechtlich Bestand haben könnten. Die Bundesregierung habe in dem konkreten Fall keine ausreichende Begründung vorgelegt, warum sie sich auf eine Ausnahmeregelung des EU-Rechts stützt, und darum habe sich das Gericht mit diesem Aspekt auch nicht befasst, erklärte der Professor der Universität Konstanz im Deutschlandfunk. “Wenn sie eine solide Begründung vorlegen, könnte ich mir vorstellen, dass der Eilrechtsschutz auch anders ausfällt.”

Ja, haben sie aber nicht! Und sie machen trotzdem weiter!

“Die Zurückweisungen gefährden die europäische Zusammenarbeit im Migrationsrecht und unterwandern den individuellen Flüchtlingsschutz”, schreibt das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) in einer Aussendung, die dem WDR vorliegt. Der Flüchtlingsrat Brandenburg kritisierte, es sei beschämend, dass die Bundesregierung sich über Rechtsprechungen und bindende europäische Verordnungen hinwegsetze. “Damit werden nicht nur Menschen in unsägliches Leid gestürzt, sondern wird auch willentlich rechtsstaatlicher Boden verlassen.”

Danke an das DIMR und den Flüchtlingsrat Brandenburg.

Wie geht es jetzt weiter?

Das ist eine schwierige Frage.

Ich habe Recht gebrochen. Das Gericht hat mir verboten, das weiterhin zu tun. Wie geht es jetzt weiter? Hmmmmm, eine schwierige Frage.

Möglicherweise kommt es nämlich überhaupt nicht zu einem Hauptverfahren, das die Union ja anstrebt. Denn laut Verwaltungsgericht Berlin sind die Beschlüsse “unanfechtbar”. Eine Beschwerde in der nächsthöheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, ist nach dem Gesetz nicht möglich.

Aber die CDU kriegt das hin, keine Sorge. Wenn nicht, dann ist sie halt weiter trotzig, dann darf ich aber auch Merz’ leeren Jet anzünden.

Die Bundesrepublik, so das Gericht, sei nach der Dublin-Verordnung der EU dazu verpflichtet, bei Asylgesuchen, die auf deutschem Staatsgebiet gestellt werden, in jedem Fall das in dieser Verordnung vorgesehene Verfahren zur Bestimmung des für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaats vollständig durchzuführen, heißt es auf der Internetseite des Gerichts.

Das ist das sogenannte Dublin-Verfahren. Die Bundesrepublik könne sich nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage unangewendet bleiben dürfe. Dobrindt beruft sich nämlich in seiner Anweisung von Anfang Mai auf eine in den europäischen Verträgen berücksichtigte nationale Notlage.

Die Notlage des Faschismus, der Klimakrise und der großen Ungleichheit hierzulande und weltweit, oder?

Diese sogenannte Notlagenklausel erlaubt Ausnahmen, wenn es um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit geht. Dobrindt sagte, es gebe durch irreguläre Migration eine Überforderung bei der Integrationsfähigkeit, in den Kitas, den Schulen bis zum Gesundheitswesen.

Achso, irgenwie hab ich das immer nur von euch gehört, während durch die Straßen meiner Stadt Faschisten maschieren und der Acker nahe meinem Haus aus Staub besteht.

Die hat das Gericht aber nicht feststellen können.

Ja lol ey, warum denn?

Kanzler Friedrich Merz (CDU) hält dennoch an der Zurückweisung Asylsuchender fest. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin habe die “Spielräume hier möglicherweise noch einmal etwas eingeengt”, sagte Merz auf dem Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes in Berlin.

Nein, sie hat es verboten, du bist so 1 Pimmel.

Aber: “Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können”, fügte der CDU-Chef hinzu. Man werde dies “selbstverständlich im Rahmen des bestehenden europäischen Rechts” tun. Das genau sieht das Gericht allerdings anders.

Ich weiß, dass ich nach wie vor den leeren Jet von Merz abfackeln darf. Ich werde das selbstverständlich im Rahmen des bestehenden europäischen (und deutschen) Rechts (nach meiner Auslegung) tun.

Und deshalb befürwortet Migrationsforscher Thym als Konsequenz aus dem Urteil eine Reform des europäischen Asylrechts.

Wie wäre es damit, einfach nicht mehr rassistisch zu sein?

Ohne Reform „droht das, was jetzt ja bei den Zurückweisungen in Deutschland droht, dass die Politik immer wieder neue Maßnahmen versucht, dann gegen eine Wand von Gerichten läuft, die sagt aus guten juristischen Gründen, das geht alles nicht“, erläuterte Thym.

Wie viele Polizisten brauchen wir und können Polizisten den Dienst verweigern?

Schon lange ist bekannt, dass die Polizeigewerkschaften mehr Personal fordern, um die Arbeit an den Grenzen zu absolvieren. Die genannten Zahlen sind unterschiedlich, manche sprechen von 3.000, andere von bis zu 10.000 zusätzlichen Kräften. “Es sind nie genug”, sagte Erich Rettinghaus, der NRW-Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG NRW) im Gespräch mit dem WDR. Es gebe ja auch eine sehr lange grüne Grenze. Über die Kosten kann man laut Rettinghaus nur spekulieren.

Wir brauchen mehr Polizei, sagt die Polizei.

Schon im Mai hatte der Vorsitzende der Bundespolizei in der GdP, Andreas Roßkopf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt, dass die intensiven Kontrollen nur noch einige Wochen aufrechterhalten werden können. Weit über 1.000 Bereitschaftspolizisten seien im Grenzraum im Einsatz.

Kanzler Merz sagte indes: “Bis die Lage an den Außengrenzen mit Hilfe von neuen europäischen Regeln deutlich verbessert ist, werden wir die Kontrollen an den Binnengrenzen aufrechterhalten müssen.”

Sage mir mal, mein Merzchen, dieses “müssen” impliziert ja einen Zwang. Wer zwingt dich denn, mein Merzchen? Ist dieser Mensch gerade mit uns hier im Raum? Vom Gericht weißt du aber schon, dass es existiert?

Andreas Rosskopf, Vorsitzender GDP für den Bereich Bundespolizei sagte dazu im WDR-Interview: Die Frage sei, ob die Stärke des Personals dabei so erhalten bleibe. “Wenn das der Fall sein sollte, dann sind wir ganz klar der Meinung, dass in wenigen Wochen Schluss sein damit wird, weil die Überstundenberge, die Dienstbefreiung, die nicht genommen werden können, die Urlaube, die nicht genehmigt werden, die Dienstpläne, die umgestellt worden sind, das kann einfach kein Dauerzustand sein.”

Oh naim, die arme Pozilei muss Überstunden nehmen. Ich finde, dass ist bisher das bester Argument gegen die illegale Politik von Merz.

Wenn Polizisten wissen, dass sie eigentlich gegen geltendes Recht verstoßen, wenn sie Menschen an der Grenze zurückweisen, können sie dann den Dienst verweigern? Nein, glaubt Rettinghaus, die Kollegen müssten machen, was der Dienstherr vorgibt. Es sei denn, sie begehen Straftaten, was hier nicht der Fall sei.

Warum ist das hier nicht der Fall? Darf ich jetzt mit meinem Rechtsverständnis einen Menschen beauftragen, auf meiner Meinung nach legalem Wege den leeren Jet von Merz abzufackeln?

Allerdings besagt die sogenannte Remonstrationspflicht, dass “Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich bei dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen” seien, wie es auf der Seite des Deutschen Beamtenbundes (DBB) heißt. Es gibt also durchaus die Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass eine Tätigkeit nicht im Einklang mit geltendem Recht sein könnte.

Zeig mal her, deine Remonstration. Achso, gegen illegale Handlungen bist du. Naja, wir bei der Polizei müssen eben den Befehlen der Politik folgen. Ich meine ja nicht, dass du jetzt Nachteile zu befürchten haben musst, aber das mit der Beförderung muss ich mir nochmal überlegen.

Andreas Rosskopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert mehr Rechtssicherheit für die Bundespolizei. Darauf habe man bisher vergeblich gewartet. “Wir brauchen eine schriftliche Klarstellung, dass die Kollegen in dieser unsicheren Situation klar auf Weisung handeln und auch nicht persönlich für ihre Handlungen im Nachgang eines Gerichtsverfahrens in dieser Sache belangt werden können.”

Wir brauchen es nochmal schriftlich, dass wir uns an kein Recht der Welt halten müssen. Wir befolgen ja nur Befehle!

Was war der Anlass für den Gerichtsbeschluss?

Im konkreten Fall, den das Berliner Gericht verhandelte, ging es um zwei Männer und eine Frau aus Somalia, die am 9. Mai mit dem Zug aus Polen nach Deutschland reisten. Die Bundespolizei begründete die Zurückweisung laut Gericht mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat.

Dobrindt hatte am 7. Mai eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt und angeordnet, auch Asylsuchende an der Grenze zurückzuweisen – allerdings mit Ausnahmen, etwa für Kinder und Schwangere.

Nicht nur besorgt um uns(er Land), sondern auch noch großzügig ist der Herr! Preißet unsere Regierung!